Hund haut ab - das sind die Ursachen
Viele Hundehalter können ein Liedchen davon singen, wie es sich anfühlt, wenn der Hund einfach abhaut, nicht mehr ansprechbar ist und minuten-, wenn nicht gar stundenlang unauffindbar bleibt.
Sie verspüren hierbei ein Mass von Kontrollverlust, aber auch Angst, dass ihm etwas passieren könnte, bis hin zur totalen Panik. Du kannst das ändern!
Vorweg ist hierzu zu sagen, dass in einem solchen Moment so einiges nicht stimmen kann mit deiner Rudelordnung. Aber davon gleich mehr.
Und noch einiges vorweg: Diejenigen, die sich einen solchen Vorfall nicht nur zu Herzen, sondern als persönliche Herausforderung angenommen und sich zu einer konsequenten Umsetzung der Hundestunde-Tipps entschlossen haben, haben es in den allermeisten Fällen geschafft, und ihr Hund läuft heute frei. Die anderen nicht: diejenigen, die sich entmutigen liessen, bleiben oft weiterhin von Angst gesteuert – und ihr Hund muss dann meist ein Leben lang an die Leine gefesselt dafür büssen.
Instinkte
Jedem Hund ist von seiner Natur aus und je nach seiner genetischen Veranlagung / Rasse ein mehr oder weniger starker Jagdtrieb angeboren. Er ist schon beim Welpen erkennbar, wenn man ihnen beim Spielen zusieht. Dort werden diese angeborenen Verhaltenselemente jeweils spontan gezeigt. Darunter gehören z.B. der Mäuselsprung, also das spontane Anspringen einer Beute oder eines Spielpartners mit den Pfoten, aber auch das spielerische «Beissen» in die Lenden oder in die Kehle des Spielpartners und das «Totschütteln» eines Spielzeugs, welches somit in seiner Vorstellung eine Beute ist.
Sexualinstinkt
Hunde im Teenager-Alter haben ausserdem den starken Drang, sich mit anderen Hunden auszutauschen und zu messen, um sich in der «Gesellschaft» eingliedern zu können – genau wie die zweibeinigen Teenager. Hier ist eine klare Konsequenz mit einer Prise Verständnis für den Hormon-Cocktail gefragt, mit dem der Hund sich gerade herumschlägt. Es zeigt sich besonders in dieser anspruchsvollen Entwicklungsphase, wie weit der Mensch mit seinen Regeln und Vereinbarungen mit seinem Hund bisher gekommen ist.
Und selbstverständlich kann auch schon die Urinspur einer läufigen Hündin so manches bei deinem Rüden auslösen, und auch läufige Hündinnen können in der 2. Woche ihrer Läufigkeit auch durchaus den starken Drang verspüren, sich einen geeigneten Sexualpartner anzulachen. Wie du aber vielleicht weisst, müsste von derselben Natur, welche das Sexualverhalten des Hundes steuert, auch dessen Hemmung über die «Rudelordnung», also eine starke, möglichst klare Regelung eures sozialen Miteinanders geregelt sein. Das funktioniert natürlich nicht über Futterbestechung, denn Verliebte haben oft gar keinen Appetit...
Sozialinstinkt
Nun ist es aber auch so, dass dem Hund ein weiterer, äusserst wichtiger Instinkt mitgegeben ist, nämlich der Sozialinstinkt. Ich nenne ihn gerne auch den «Kleber» für deine soziale Gemeinschaft mit deinem Hund. Damit meine ich das tief in seiner Biologie verankerte Bewusstsein, dass er zum Überleben den Kontakt zu seinen «Rudelmitgliedern» braucht, zu seiner sozialen Gemeinschaft, und dass es nicht lohnenswert ist, ja sogar tödlich sein kann, alleine und ohne den Schutz dieser Gemeinschaft in der Natur unterwegs zu sein.
Dass dieser Sozialinstinkt, z.B. in Form des Folgetriebs, ebenso angeboren ist wie der Trieb nach dem Hetzen und Jagen einer Beute, finden wir als Beweis wieder beim Welpen, der zwischen 8 und 12 Wochen seinem Menschen wie selbstverständlich nachfolgt. So ein kleines Fellbündel ist von sich aus stets sehr bemüht, den Kontakt mit seinem Menschen aufrecht zu erhalten. Wenn man ihn denn lässt, muss ich hier hinzufügen. Denn leider machen das viele Menschen dadurch regelrecht kaputt durch ihr Fehlverhalten, welches ihnen meistens durch den Mainstream und die ewigen Leckerli-Hundeschulen weisgemacht wird. Mehr dazu erfährst du in unserem Welpenkurs.
Jagen gehen
Gemeinsam unterwegs zu sein, schliesst damit ein, dass man mit demselben Ziel unterwegs ist und dass hierzu der «Rudelverantwortliche» ein bestimmtes Ziel verfolgt. Nicht denkbar wäre in einem solchen Zusammenhang, dass eines der Rudelmitglieder einfach ausbricht und seine eigene, private Jagd veranstaltet. Wenn der Hund also «einfach so» und ganz alleine «auf die Jagd geht», dann bist du a) nicht derjenige, der hier die Entscheidungen trifft und b) weder emotional noch mental genügend mit deinem Hund verbunden.
Selbstverständlich spielt hier die Rasse eine grosse Rolle – diejenige der richtigen Erziehung ist aber noch immer das Wichtigste. Diese wiederum bedingt eine klare Rollenverteilung innerhalb des Haushalts, damit der Hund seine eigene und die Rolle seines Menschen richtig vermittelt bekommt. Und natürlich soll diese Erziehung auch eine angemessene Portion «Beutespiele» beinhalten, vom initiiert und nach dessen klaren Regeln, und idealerweise angepasst an die Talente & Potenziale der entsprechenden Hunderasse.
Ich möchte dich davor warnen, deinen Hund frei mit einem anderen Hund laufen zu lassen, der nicht gut hört resp. des öfteren jagen geht - dein Hund könnte es mit einem einzigen Mal zusammen mit diesem Hund für immer lernen. Darum wähle deine Spazottelpartner lieber gezielt aus!
Nach dem Zahnwechsel, also im Alter von ca. 6 Monaten, signalisiert der eine oder andere Hund jeweils durchaus, dass er jetzt von seiner körperlichen Entwicklung her durchaus in der Lage wäre, jetzt «mit auf die Jagd» zu gehen, und wird hierzu allenfalls tatsächlich auch einmal einen Versuch starten, z.B. indem er auf einmal anfängt, sich ernsthaft für Hühner oder Fährten im Wald zu interessieren. Bis zu dieser Entwicklungsstufe sollte daher geklärt sein, wer hier die Entscheidungen trifft darüber, was wann und wie gejagt wird. Das heisst, es geht darum, auch und gerade beim Spielen mit einem Spielzeug klare Regeln zu haben, was erlaubt ist und was nicht.
Die Rudelführung testen
Viele Junghunde testen auch einfach einmal über weiträumige Bewegung, wie weit sie gehen können. Hier wird oft durch zeitenweises Weglaufen ein Test gegenüber dem Menschen gefahren von wegen «wo sind meine Grenzen» und «hat der mich im Griff» oder «wie weit geht denn jetzt meine eigene Entscheidungsbefugnis» wirklich? Hier ist eine besonnene, konsequente Vorgehensweise mit klaren Anleitungen das Beste, basierend auf all dem, was du idealerweise schon im Welpenalter aufgebaut hast.
Fluchtinstinkt
Der Hund hat ein ureigenes Programm, auf (vor allem) starke und unerwartete Reize zu reagieren: Erstarren, Flüchten oder Angreifen. Es ist nahvollziehbar, dass ein Hund einmal durchstarten kann, wenn er sich aufgrund eines Knalls zu Tode erschrickt. In diesem Moment wird er nicht mehr ansprechbar sein. Es gibt aber gute Neuigkeiten, die auch für die anderen Instinkte wie Sexual-, Territorial- und Jagdinstinkt gelten, nämlich, dass die soziale Ordnung in einem «Rudel» solche Automatismen tatsächlich ausschalten kann, wenn du es richtig angehst. Mehr dazu erfährst du hier (Angst vor Feuerwerk, folgt demnächst) und hier (Tierschutzhund - was nun?)
Leinenstau
Eine der Hauptursachen fürs Abhauen liegt jedoch nicht in der Instinktveranlagung deines Hundes, sondern im falschen Umgang mit ihm – so oft. So viele Leute sind schon mit dem Welpen nur mit Angst, Angst und nochmals Angst unterwegs. Sie klammern sich an die Leine, ziehen ihn (oft sehr unbewusst) daran in der Gegend herum, anstatt sich um die direkte Kommunikation mit ihrem Vierbeiner zu bemühen. Das Resultat ist oft eine grosse Anstauung von Frust, verbunden mit dem unbändigen Drang, sich aus dieser ewigen Fessel endlich einmal zu befreien, oft noch dadurch ins Unerträgliche verstärkt, dass sie eingebunden sind in ein Hundegeschirr, welches nicht nur die Bewegung massiv einschränkt, sondern noch oft zusätzlich mit einer Überreizung in Form einer «Dauerberührung überall am Körper» das Fass schliesslich zum Überlaufen bringt - oder anders gesagt, der Dampfkochtopf explodiert förmlich.
Die Menschen machen dann einmal die Leine ab – und der Welpe ist tatsächlich erst einmal weg, muss sich einfach einmal Luft verschaffen. Was wiederum einen enormen Kontrollverlust beim Menschen auslöst, welcher dann noch mehr Angst davor hat, seinen Welpen nie mehr wiederzukriegen. Ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf.
Dies muss nicht sein. Hierzu kann ich dir mehr Details dazu geben, wie du dich schnell und effizient von diesem inneren und äusseren Leinenzwang befreien und eine echte Verbindung mit deinem Welpen aufbauen kannst. Mehr dazu erfährst du hier. Wenn du klare Anleitungen für die Praxis brauchst, dann melde dich einfach bei mir.
Hilfsmittel
Vom Einsatz der Leine hast du oben schon gelesen. Selbstverständlich kann die Leine ein hilfreiches Mittel sein, um den Hund am Abhauen zu hindern, aber nur am Anfang. Es ist wichtig, von Anfang an richtig mit der Leine umzugehen und sie dann auch schon relativ rasch schrittweise wieder abzubauen. Von weiteren Hilfsmittel wie z.B. einem GPS Gerät rate ich dir dringendst ab. Es wird ja auch von einem Hundetrainer vermarktet, welcher davon lebt, dass die Menschen ein Problem mit dem Hund haben. Anders kann ich es nicht formulieren, nachdem nach so vielen Jahren Hunde-TV die Hundehalter immer noch nicht besser, eher noch viel schlechter dran sind als vor seiner Zeit. Es scheint mir so, dass je länger die Hundefreunde vor dem Hunde-Bildschirm sitzen, desto schlimmer sind ihre Hunde dran. Schon tragisch.
Während du dir vielleicht schon rein rational über den Sinn oder Nutzen eines GPS-Gerätes Gedanken gemacht haben wirst, möchte ich dich hier darauf hinweisen, dass ein GPS-Gerät vor allem zwei Dinge bewirken wird:
- Es wird dich daran erinnern, und zwar jedes Mal, wenn du es anschaust, dass es an deinem Hund dranhängt, weil du Angst davor hast, dass dein Hund einmal abhauen könnte. Das ist wohl nicht der Gedanke, welchen du deinem Unterbewusstsein und auch nicht deinem Hund vermitteln möchtest, oder?
- Es wird dich ausserdem daran hindern, dich darauf einzulassen, was eine engste Verbindung mit dem Hund entstehen lassen kann, nämlich die Wiederbesinnung auf deine inneren, angeborenen Fähigkeiten wie deine natürliche Beobachtungsgabe, dein Einfühlungsvermögen, deine Intuition, und deren Einsatz auf dem Weg zu einem tiefen Verständnis für sein Wesen und dafür, was er dir sagen will. So etwas wäre dann das exakte Gegenteil von einem technischen Hilfsmittel.
Ich bin jetzt ein bisschen gemein (auch auf das Risiko hin, dass du jetzt sehr empört oder unglaublich sauer auf mich sein wirst!), und sage dir, wann du deinen GPS-Tracker tatsächlich einsetzen solltest: nämlich jedes Mal, wenn du deinen Hund deinem Hundesitter abgibst. Viele Hundesitter karren nämlich ihre vierbeinigen «Kunden» oft stundenlang in engen Gittern im Auto eingesperrt durch die Gegend. Etwas, was ungefähr einem Tierschutzhundetransport gleichkommt. Und du willst dir die hässlichen, häufigen Szenen von Hunden nicht vorstellen, die ihren täglichen Spazottel eng angebunden mit noch 5 bis zu 10 (!!!!) anderen Hunden erleben müssen, wobei es bei Begegnungen mit anderen Hunden oft auch noch richtig scheppert. Eine solche Situation haben eine Kundin und ich gerade kürzlich zusammen erlebt. Es war gar nicht schön.
Weisst du, nachdem du dies gelesen hast, fällt es dir vielleicht leichter, deinen Vertrag mit dem Hundesitter raschmöglichst zu kündigen und dir deine Arbeitssituation wie auch deine Ferienbuchungen so umzugestalten, dass sie hundefreundlich sind. Das regelmässige «Abschieben» deines Vierbeiners und die damit verbundenen katastrophalen Folgen deines Handelns für eure Beziehung, der ganze Stress, den dein Hund damit hat, regelmässig aus deinem «Rudel», welches somit gar keines ist, weil nicht verbindlich, rausgeschmissen zu werden, lässt sich dann nicht mehr so gut schönreden von wegen "er hat doch eine Menge Spass mit den anderen Hunden". Verstehe mich bitte richtig, ich möchte dich nicht verurteilen deswegen, schliesslich gibt es im Leben auch unverhoffte berufliche, gesundheitliche oder beziehungsbedingte Schicksale und Wendungen, die einen Hundesitter zumindest in einem Notfall einmal dringend notwendig machen. Dich aber zum Nachdenken bringen – das ist schon meine Absicht mit diesem Kapitel. Denn wer sich als Hund nicht auf sein «Rudel» verlassen kann, der muss auch selbst nicht verlässlich für seinen Menschen sein und macht dann halt eben auch mal sein eigenes Ding.
Beschäftigung
Viele Menschen haben Angst davor, dass ihr Hund unterbeschäftigt ist. Tatsächlich dürfen viele Hunde ihr angeborenes Talent, ihre enormen Fähigkeiten oft schon aufgrund ihrer z.B. von Strassen und anderen gesellschaftlichen Begrenzungen nicht wirklich ausleben. Daher macht sich der Mensch gerne auf die Suche nach Ersatzbeschäftigung, was durchaus Sinn macht. Es sollte aber nicht so sein, dass der Mensch sich von der Hunde-Industrie dauerhaft unter Druck setzen lässt von wegen «du bist kein guter Hundehalter, wenn du deinem Hund nicht diesen, diesen und natürlich diesen «Spass, Hundesport oder sonst-was-Trend gönnst».
Ich weiss von vielen Menschen, die dadurch regelrecht in einen Beschäftigungswahn verstrickt wurden und nun ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie einmal «nur» mit ihrem Hund entspannt spazieren gehen wollen. Oder sie haben inzwischen einen dermassen nicht nur hoch- sondern schon (fast?) durchgedrehten Turbo-Hund zu Hause, der buchstäblich über-bordet, wenn sie ihn nicht dauer-beschäftigen. Die Assoziation zum Border-Collie als typisches Beispiel, der leider oft als Ball-Junkie endet, ist an dieser Stelle durchaus gewollt. Diese Hunde rennen vollgepumpt mit Adrenalin und entsprechend irrem Augenausdruck nur noch blind hinter dem Ball her aus einem inneren Sucht-Zwang heraus, den der Mensch in seinem Egoismus und ohne darüber nachztudenken dazu nutzt, den Hund mit dem Ball jederzeit "fern-steuern" zu können. Die Idee hierzu, inkl. der passenden Wurfstange zum Ball, kommt ebenfalls aus dem Hunde-TV.
Ich möchte an dieser Stelle einmal unterscheiden zwischen Beschäftigung zusammen mit dem Menschen, Selbstbeschäftigung und Unterbeschäftigung.
Beschäftigung zusammen mit dem Menschen
Selbstverständlich möchte der Hund die Welt entdecken, seinen hervorragenden Geruchssinn einsetzen und täglich fette Beute machen, einen guten Grund für ausladende Bewegung haben. Jeder Hund will schnuppern, laufen und sogar toben, aber auch regelmässig Beute zwischen den Zähnen spüren dürfen. Um diese ureigenen Bedürfnisse zu befriedigen, bemüht sich der Mensch aber tatsächlich oft in die falsche Richtung.
Es kann natürlich sehr viel Sinn machen, auf die Aufforderung des Menschen hin ein Spielzeug zu suchen. Bei Tierschutzhunden, die von klein auf gelernt haben, Plastik und andere fremden, nicht fressbare Materialien zu meiden, kann es sein, dass man am Anfang sogar zu einem Futterbeutel greifen muss. Spielzeug und Futterbuttel müssen dabei aber immer klar im Besitze des Menschen sein, damit der Mensch seinem Hund klarmachen kann, dass er die «Jagd» anführt und über die Ressourcen im «Rudel» verfügt. Ist dies nicht gegeben, so lernt der Hund nie, seinen Menschen zu fragen, wenn er Beute in Aussicht oder eben in der Nase hat. Auch wird der Hund seinen Menschen nicht als denjenigen ansehen, der ihm das Jagen gezeigt hat und der damit die Jagd anführt.
Selbstbeschäftigung
Und hier sind wir schon bei der Selbstbeschäftigung. Die Hunde-Industrie hat hier schon mehrere Fallen für euch bereit, denn schliesslich geht es ihnen einzig und alleine darum, euch als Konsumenten / Käufer zu gewinnen und damit Umsatz zu machen. Erwähnenswert sind hier z.B. die Schleckmatten. Hier wird dem Hundehalter weisgemacht, er könne seinen Hund wunderbar beschäftigen und auch beruhigen, indem er ihm eine leckere Paste auf diese Matte pappt, die der Hund dann genussvoll aufschlecken dürfe.
Was der Hund aber eben auch mitkriegt, ist, dass es äusserst lohnenswert ist, etwas vom Boden aufzuschlecken. Das Fressen von allerlei wie z.B. das Auflecken von Krümeln unter dem Tisch (auch im Restaurant), aber auch von stinkenden Hinterlassenschaften von anderen Tieren draussen im Feld, ist somit vorprogrammiert. Dies gilt natürlich auch für die Indoor-Version der Schleckmatte, die Schnüffelmatte. Was sonst soll der Hund damit lernen, als dass es sich mehr als lohnt, seine Nase tief in den Boden zu graben, um dort Leckerbissen zu finden? Wenn du also Werbung siehst für Produkte, die nicht zur Natur des Hundes und zu euren absoluten Grundbedürfnissen für den Alltag gehören, dann lieber Pfoten weg – hier geht es um Umsatz und nicht um das Wohl deines Hundes.
Manche Hundehalter greifen auch zu sogenannten Intelligenzspielzeugen wie Leckerlibällen oder Spielzeugkonstrukte aus Holz oder Plastik, wo der Hund dann z.B. durch das Bewegen des Balles oder durch Anheben eines Deckels zu seinem Leckerli kommt. Auch hier ist der Mensch nur am Anfang beteiligt, danach lernt er, die Dinger völlig selbständig mit Pfote und Schnauze für sich zu «erobern». Ob das Sinn macht, muss durchaus und ernsthaft hinterfragt werden.
Ich möchte dich vor jeglicher Art von Selbstbeschäftigung warnen. Wer zu Strategiespielen, Leckerlibällen und Ähnlichem greift, kompensiert oft ein schlechtes Gewissen, weil er z.B. glaubt oder weiss, dass sein Hund zu oft alleine bleiben muss oder sonst im hektischen Alltag zu kurz kommt. Dieses Problem kannst du nicht einem Produkt aus der Welt schaffen, lieber Mensch. Wer einen Hund bei sich aufnimmt, sollte doch die Zeit und Musse für regelmässigen Auslauf und tägliches Spiel mit dem Hund aufbringen können – sonst wird er ihm schlicht und ergreifend nicht gerecht. Probleme mit dem Hund sind damit schon fast vorprogrammiert.
Hingegen ist der Kauknochen die einzige, vor allem für die Zahngesundheit schon fast unabdingbare Selbstbeschäftigung für deinen Hund. Wenn du diesen in den Napf legst, mit dem «Fress-Wort» freigibst und deinen Hund damit auf seinen Platz schickst; wenn du jederzeit dazu in der Lage bist, ihm diesen auch wieder wegzunehmen, dann ist das voll okay.
Nun gibt es natürlich Ausnahmesituationen, wie wenn der Mensch krank ist und oder Hund z.B. nach einer OP längere Zeit nicht laufen kann und daher ersatzbeschäftigt werden muss. Hier sollte der Mensch darauf achten, dass wenn er zu den obigen Ersatzbeschäftigungen greift, möglichst auf Futter verzichtet und den Hund einfach kleine Gegenstände suchen und anzeigen lässt. Auch anspruchsvollere Aufgaben wie das Suchen von Kleinstgegenständen oder das bewusste Unterscheiden von Gegenständen nach deren Geruch und spezifischen Namen könnte hier Sinn machen. So wäre es z.B. denkbar, dem Hund am Anfang einen, dann einen zweiten und dritten Teebeutel in einem kleinen Futterbeutel zu zeigen, diese mit ihren Namen zu benennen und den Hund dann gezielt die gewünschten Duftrichtungen aufzustöbern und zu apportieren.
Unterwegs macht es ausserdem Sinn, dem Hund immer wieder mal ein Versteckspiel mit dem Spielzeug anzubieten. Wichtig ist dabei, dass der Hund es anschliessend apportieren soll, damit klar ist, wer die Beute verwaltet. Ich verwende bei meinen Hunden jeweils das Wort «BRING» fürs Apportieren und das Wort «SUCH», wenn sie den Gegenstand mit der Nase suchen sollen, resp. er für sie nicht sichtbar ist.
Eine beim Menschen oft unbewusste Selbstbeschäftigung des Hundes bildet der eigene Garten. Der ist ja meist eingezäunt, also kann man den Hund da frei umherlaufen lassen – denken sich wohl viele Menschen. Und genau das ist falsch. Wer seinen Hund des öftern alleine im Sinne von «sich selbst überlassen» im Garten lässt, ihn dort auch nach Eintritt seiner Stubenreinheit noch markieren resp. sich versäubern lässt, der gibt seinem Hund das Privileg eines eigenen Territoriums. Und wer ein Territorium hat, der kann auch jagen gehen. Nicht nur im eigenen Garten in Form z.B. von Äste-Knabbern, Steine-Schlucken bis Mäuse-Fressen, sondern auch draussen im Freien.
Weil der Hund nicht wie der gedankenlose Mensch das Ganze eben nicht situations-, sondern immer im sozialen Zusammenhang erlebt und danach handelt: wenn er hier im Garten machen kann, wie er will, warum sollte das draussen anders sein, warum sollte er hier draussen dann nicht auch über die Jagdlizenz verfügen? Je nach Veranlagung kann es auch anders kommen. Wenn der Hund ausserhalb des geschützten Inneren des Hauses draussen im Garten alleine verweilt und sich dem Garten jemand nähert, warum sollte der Hund nun verstehen, dass er nicht für die Bewachung des Grundstücks zuständig ist, nicht die mit viel Verantwortung verbundene Rolle eines Sicherheits-Zuständigen trägt? Es lohnt sich einmal, darüber nachzudenken, vor allem wenn der Hund viel bellt oder Zoff macht bei Hundebegegnungen.
Der Zaun des Gartens spielt noch eine ganz andere Rolle, genau so wie alle Gitter, die du allenfalls drinnen montieren «musstest». Wenn du nicht in der Lage bist, deinem Hund die Grenzen innerhalb deines Wohnbereichs klarzumachen, wie soll dass dann draussen gehen? Wie kannst du ihn ernsthaft davon abhalten wollen, sich über deine Signale hin eingrenzen zu lassen, ihn zuverlässig zurückrufen zu können? Das Gegenteil davon ist «da wo es geht, kann ich so weit laufen wie ich nur will». Voilà, hier hast du nichts mehr gegen das Abhauen zu sagen.
Zusammenfassung
Die hauptsächliche Ursache darin, dass ein Hund abhaut, liegt darin, dass die soziale Verbindung zum Menschen nicht oder ungenügend vorhanden ist und / oder der Hund neben statt MIT seinem Menschen lebt, oft verbunden mit der Annahme des Hundes, er könne für ihn wichtige Entscheidungen selbst treffen. Oft delegiert der Mensch also wichtige Fragen des Hundes an ihn, erkauft er sich die Möchte-Gern-Bedürfnis-Befriedigung für seinen Hund mit dem Kauf eines Produktes. Das kann auf die Dauer nicht funktionieren, sondern bringt den Hund erst recht auf "selbständige" Gedanken und Hobbies.
Turbulente Zeiten während der Adoleszenz deines Hundes können dabei ebenfalls eine Rolle spielen, diese sind dann aber temporär. Die Zeit spielt dir dann in die Hände, wenn du vor dem 6. Lebensmonat die richtigen Erziehungsschritte erfolgreich mit deinem Hund zusammen gemeistert hast. Fehlt dir dieses wichtige Fundament, wird’s schwierig und kann aufgrund der steigenden Selbstsicherheit deines Hundes mit der Zeit sogar noch zunehmen.
Wenn du es also schaffst, deinem Hund über eine klare «Rudelordnung» und bewusste Rollenverteilung zu verstehen zu geben, dass du die Entscheidungen triffst, dass er für alles und jedes fragen muss; wenn du ihm genügend Freilauf gewährst, ihn jeden Tag eine Beute packen lässt und ein vertrauensvolles Miteinander mit ihm aufgebaut hast, dann wird er alles andere tun als von dir wegzulaufen – ich wünsche es dir von ganzem Herzen!
Hast du Fragen oder möchtest mehr darüber wissen, welche Faktoren auch noch reinspielen, wenn der Hund abhaut? Gerne helfe ich dir weiter.
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